Rundreise · Sizilien

Sizilien

oder Autofahren für Unerschrockene

Warum wir uns im Frühjahr 2022 für Sizilien entscheiden, weiß ich gar nicht mehr so genau. Nach diesen zwei trüben Corona-Jahren wollen wir unbedingt mal wieder wegfliegen, eigentlich nach Malta. Aber das geht nur mit Umsteigeverbindung. Und nach Sizilien fliegt die Eurowings direkt ab Hamburg – gebucht. Nach knapp 3 Stunden (und unzähligen verschwommenen Fotos aus dem blinden Flugzeugfenster vom rauchenden Ätna) landen wir in Catania, im Osten dieser riesigen Insel.


Der Mietwagen

Den Mietwagen haben wir gleich mitgebucht und rufen freudig den Vermieter zur Übergabe an: „Come to seventh platform“. Fragend schauen wir am 3-geschossigen Flughafengebäude empor. Vielleicht unterirdisch? Dass die „second platform“ gemeint ist, bemerken wir nach einigem Umherirren. Dass der Wagen nagelneu ist (35 km auf der Uhr), auch. Die Versuche des Vermieters, uns weitere Versicherungen zu verkaufen, scheitern an unserer Beharrlichkeit und der Sprachbarriere: Kaum jemand spricht Englisch, auch nicht in touristischen Regionen. Etwas, das uns in den kommenden Tagen noch auffallen wird, aber zum Glück gibt es ja den Google-Übersetzer. Spätestens nach dem ersten Kreisverkehr merken wir, dass die Uhren hier auch verkehrstechnisch anders ticken: Hupen, drängeln, gullydeckelgroße Schlaglöcher – oder sind es Gullies ohne Deckel? Keine Ahnung. Unbehelmte Motorradfahrer tauchen in Lichtgeschwindigkeit aus dem Nichts direkt vor uns auf, und manchmal gibt es ein kurzes Winken (oder Schimpfen?) der 2 bis 3 Mitfahrer darauf. Der Google-Routenplaner lotst uns ständig ins Nirvana, die Autobahn ist gesperrt, Brücken marode und Verkehrsschilder sind unleserlich verblichen oder gleich gar nicht vorhanden. Das kann ja heiter werden, und langsam dämmert uns, warum der Vermieter so beharrlich auf Zusatzversicherungen bestanden hat!


Der Bahnhof

Ich kürze das mal ab: Rückblickend haben wir einige wirklich tolle Ausflüge dadurch getrübt, dass wir täglich mehr Bedenken bekamen, uns in den mörderischen sizilianischen Verkehr zu stürzen, stundenlang einen Parkplatz zu suchen, um dann zu hoffen, dass unser Neuwagen später dort noch in Gänze steht. Irgendwann haben wir den Bahnhof entdeckt. Bei uns um die Ecke. Das Streckennetz ist gerade für die touristischen Hotspots super ausgebaut, die Züge sind hypermodern, leer und die günstigen Tickets gibt es mehrsprachig am Automaten direkt am Bahnhof. Gerade die großen Städte Messina, Catania und Syrakus lassen sich so ganz entspannt entdecken. Von den drei Genannten ist Syrakus übrigens unser Liebling: Eine zauberhafte Altstadt, und für das Amphitheater gerne etwas mehr Zeit einplanen.


Der höchste, aktive Vulkan Europas

Der Ätna ist eine wirklich gewaltige Diva. Man weiß nie, ob und wann er ausbrechen möchte – er tut es aber gerne auch mehrfach im Jahr. Wer ihn nicht zu Fuß erklimmen will, fährt vom großen Parkplatz in der Talstation (auf 1.900 m Höhe) mit der Seilbahn in 15 Minuten auf 2.500 m. Oder auch nicht – wenn das Wetter nicht seilbahntauglich ist, so wie heute. Deshalb werden wir mit Unimogs hochgeruckelt, was nicht besonders bandscheibenfreundlich, aber auch ein tolles Erlebnis ist. Es ist übrigens schon die zweite Seilbahn: Die erste überstand den Ausbruch 2001 nicht, und ihre traurigen Reste erinnern daran, dass wir uns gerade auf dem höchsten aktiven Vulkan Europas befinden! Möchte man noch näher zum Gipfel, fährt man in Spezialfahrzeugen weiter bis auf 3.000 m. Höher geht es aus Sicherheitsgründen nicht mehr (Gipfel bei 3.357 m). Oben gibt es eine kurze Führung und viel Gänsehaut. Dieser Ausflug ist für knapp 70 € p.P. ab Parkplatz wirklich lohnenswert! Achtung: Oben ist es extrem kalt und windig.


Ausflugtipps: Merkel und der Wasserfall

Taormina ist die Perle der Ostküste. Die zauberhafte Altstadt liegt etwas oberhalb und ist mit Seilbahn, Treppen, Bus oder Auto zu erreichen. Wir nehmen die Treppen, weil auch diese Seilbahn nicht fährt. Auf dem Podest des historischen Amphitheaters stand Frau Merkel schon 2017 neben Herrn Trump zum G7-Gruppenfoto. Der Blick vom Amphitheater auf den Ätna und das Meer ist wirklich einzigartig und auch das Eintrittsgeld wert.

Unterhalb liegt die Isola Bella und macht ihrem Name alle Ehre. Wir stehen im Sonnenuntergang am Strand und seufzen mehrfach: „Ist das schön hier!“

Alcantara-Schlucht: Für den Alcantara-River-Park sollte man Bikini und Badeschuhe einpacken. Zu verlockend ist eine kurze Abkühlung in der eindrucksvollen Lava-Schlucht. Kleine Teiche, Wasserfälle und leuchtendblaues Wasser begleiten uns auf der Wanderung durch die Schlucht.


Fazit

Unglaublich, wir haben es wirklich geschafft, den Wagen nach 10 Tagen beulenlos wieder abzugeben. Das war aber mit einigen grauen Haaren verbunden. Entspannter erkundet man die Insel mit Bahn und Bus. Die Naturschauplätze und Altstädte Siziliens sind wirklich wunderschön. Manchmal wirkt die Region im Vergleich zum Rest Italiens etwas „vergessen“, vorsichtig gesagt herrscht etwas Sanierungsstau. In 10 Tagen haben wir stressfrei den Osten der größten Mittelmeerinsel bereist. Für den westlichen Inselbereich empfiehlt sich eine Anreise bis zum Flughafen Palermo.

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